Allgemein

Ein Virus legt die Welt lahm

Geschrieben von Silke Katterbach

Zukunft ungewiss

Die Welt im Ausnahmezustand! Entschleunigt und extrem CO2-reduziert müssen wir uns alle fragen, wie es weitergeht. Eine extrem instabile Situation, quasi wie aus dem Change-Lehrbuch: nichts ist sicher. Worauf wir uns gestern noch verlassen konnten, gilt heute nicht mehr. Ich mag das Wort „Entschleunigung“ ja nicht, mit dem sich einige nun die Situation schönreden. Und trotzdem ist plötzlich Zeit im Überfluss da, die doch endlich mal genutzt werden könnte für alles, was im turbulenten, „normalen“ Alltag liegenbleibt: ein Buch lesen, spazierengehen, Freunde besuchen…, stop! Das geht natürlich nicht. Wir alle tragen jetzt eine große Verantwortung für unsere Gesellschaft, für den Schutz der Schwächeren und für eine gemeinsame Bewältigung dieser Krise, hervorgerufen durch ein winziges, „dem Leben nahestehendes“ Ding, das wir Virus nennen.

Welchem Instinkt nachgehen?

Wir beobachten Menschen, die auch diese Gefahr ignorieren, so lange sie nicht selber betroffen sind. Sie verhalten sich asozial all jenen gegenüber, deren Existenz von Covid19 bedroht ist, andere horten Toilettenpapier und es ist ihnen egal, ob für den nächsten noch etwas übrig bleibt. In Krisen kämpfen zwei Instinkte miteinander: der eine, der uns enger zusammenrücken lässt, um den Schutz der Gemeinschaft zu genießen und der andere, der uns vom Elend der anderen abgrenzen lässt, um vermeintlich das eigene Überleben zu sichern. Doch auch außerhalb von Krisen beobachten wir die Durchsetzungskraft des zweiten Instinkts, der weder Mitgefühl, noch Rücksicht kennt. Wenn wir grundsätzlich davon ausgehen, dass unsere komplexer werdende Welt auf gemeinsames Handeln angewiesen ist, weil kein Einzelner mehr das Wissen und die Macht haben kann, die richtigen Entscheidungen zu treffen, dann sollten wir diese Krise als Übungsfeld nutzen und uns die Frage stellen, wieviel wir für die Gemeinschaft bereit sind aufzugeben, worauf wir zugunsten anderer, schwächerer Menschen verzichten, auch ohne per Gesetz dazu verpflichtet zu werden. Also letztlich dem kategorischen Imperativ von Immanuel Kant zu folgen (Klugscheißerei *ende*). Am Ende vermittelt nämlich auch das ein schönes Gefühl, das vielleicht sogar nachhaltiger ist als der eine „Corona-Party-Kick“.

Vorbereiten auf das Danach

Individuell und gesellschaftlich wird es nach dieser akuten Zeit des nahezu vollständigen Stillstands um das Thema Resilienz gehen. Wie gut werden wir in der Lage sein, dieses disruptive Ereignis für uns selbst, in Unternehmen, im Land, sogar global zu bewältigen? Da wir ja alle viel Zeit haben gerade (außer denen, die sich schlecht bezahlt um die Kranken kümmern müssen), wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, sich damit auseinanderzusetzen. Gehen wir einmal ein gängiges Resilienz-Modell (Rampe, 2005) der Reihe nach durch und überprüfen zunächst unsere eigene Resilienz:

Die eigene Resilienz auf dem Prüfstand

Die ersten drei Resilienzfaktoren beziehen sich auf eine Grundhaltungen, während die weiteren vier Säulen Fähigkeiten beschreiben. Bei der ersten Grundhaltung „Optimismus“ liegt der Schwerpunkt auf einer positiven Weltsicht, einem positiven Selbstbild und einer realistischen Zuversicht. Hier ist entscheidend, wie gut es jemandem gelingt, die Aufmerksamkeit auf die erfreulichen Aspekte zu richten, ohne Risiken, Probleme etc. zu ignorieren, Niederlagen und Rückschläge als normal zu akzeptieren, sich selbst und das Leben mit Humor zu betrachten und daran zu glauben, Schwierigkeiten bewältigen und entsprechende Fähigkeiten aufbauen zu können.

Die zweite Grundhaltung „Akzeptanz“ bezieht sich auf Geduld und die Kraft abwarten zu können, Unabänderliches zu akzeptieren und sich selbst wertzuschätzen. Es geht also darum, nüchtern zu akzeptieren, was geschehen ist und schmerzlichen Tatsachen ins Auge zu blicken, zu unterscheiden, was man beeinflussen kann und was nicht, darauf zu vertrauen, dass jedes Ereignis auch positive Aspekte enthält und sinnvolle Konsequenzen nach sich ziehen kann, eigene Grenzen hinzunehmen und versöhnlich mit sich umzugehen.

Die Schwerpunkte der dritten Grundhaltung „Lösungsorientierung“ liegen im Gelingen, aus der „Problem-Trance“ herauszukommen, sich realistische Ziele zu setzen, Optionen zu entwickeln und kreativ zu denken. Wesentlich ist das Gelingen, Probleme systematisch in Möglichkeiten, Angebote und Chancen zu verwandeln, erste kleine Schritte als Anfang des Wegs zum Ziel wertzuschätzen, viele Möglichkeiten in den Blick zu nehmen und erst später zu bewerten, sowie ungewohnte Methoden zu nutzen und sich von anderen inspirieren zu lassen.

Die erste Fähigkeit, der ein Einfluss auf Resilienz zugeschrieben wird, nennt Rampe „die Opferrolle verlassen“, und sie wird mit Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, angemessener Interpretation der Realität und der Erlangung von Freiheit durch Vergeben assoziiert. Hier kommt es darauf an, wie sehr es jemandem möglich ist, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und sich der eigenen Schwächen klar zu sein, davon überzeugt zu sein, dass das eigene Handeln Konsequenzen hat und auch kleine Schritte etwas bewirken können, zwischen sachlichen Notwendigkeiten, eigenen Ansprüchen und fremden Erwartungen zu unterscheiden, den Anteil Anderer oder der Rahmenbedingungen realistisch einzuschätzen und die Energie für (stumme) Vorwürfe und Hass umzulenken.

Als fünfte Säule führt Rampe die Fähigkeit „Verantwortung übernehmen“ auf, was die Verantwortung für das eigene Denken, (Nicht-)Tun und Fühlen und Selbst-Regulation impliziert. Hier ist es also entscheidend, sich den eigenen Anteil einzugestehen und nicht anderen die Schuld zuzuweisen, Gefühlen wie Trauer, Hilflosigkeit und Wut unter Umständen Raum zu geben, für sich selbst zu sorgen, vorausschauend und initiativ zu handeln und Fehler als Lernchancen und Quellen für persönliche Entwicklung zu betrachten.

Die dritte Fähigkeit „Beziehungen gestalten“ beschreibt das Engagement in sozialen Netzwerken, Empathie, soziale Flexibilität, emotionale Intelligenz und Verbundenheit. So ist es förderlich, ebenbürtige Beziehungen zu gestalten, unterschiedliche Stützsysteme zur Ergänzung der eigenen Ressourcen aufzubauen, ohne vollkommen abhängig zu sein, um Unterstützung, Rat und Hilfe bitten zu können, sich in andere hineinzuversetzen und ihre Beweggründe nachzuvollziehen, unabhängig von Sympathie und Übereinstimmung, Wissen und Fähigkeiten einzubringen und andere zu unterstützen, ohne sich selbst zu verausgaben.

Vorbereiten und jetzt Füße stillhalten

Als letzte Säule und Fähigkeit wird „Zukunft gestalten“ im Sinne von Antizipation, Fokussierung und Zielorientierung aufgeführt. Hierbei ist es wichtig, solide und umsichtig zu planen, potenzielle Wendungen vorzudenken und gleichzeitig für Unvorhergesehenes und Unvorhersehbares offen zu sein, Alternativen zu entwickeln und durch die Wahlmöglichkeiten schneller, flexibler und handlungsfähig zu sein, sich selbst zu motivieren durch Ausrichten auf Visionen, die Bedeutung haben und Sinn stiften und damit übergeordnete Orientierung geben. Auch ist entscheidend, ob es jemandem gelingt, durch klare Zielformulierung von der Absicht zum Handeln zu kommen und langfristige Orientierung mit realer Umsetzung zu verbinden.

All diese Kriterien sind übertragbar auf Organisationen und Unternehmen. Klar ist, dass ein Unternehmen mit engagierten und innovativen Mitarbeiter*innen die Krise besser bewältigen wird. Also halten wir jetzt bitte alle die Füße still (#socialdistance) und bereiten uns auf das vor, was jetzt am wichtigsten ist: unsere Zukunft. Bleiben Sie gesund!